Kaum etwas spiegelt eine gute Erziehung besser wider, als Tischmanieren. Einen schmatzenden, kippelnden, mit vollem Mund sprechenden Gast möchte niemand am Tisch haben. Sich anständig zu benehmen, ist ein Zeichen von Höflichkeit und Respekt den anderen Tischgästen gegenüber. Dies gilt nicht nur bei offiziellen Restaurantbesuchen, sondern auch in den heimischen vier Wänden.
„Höflichkeit ist wie ein Luftkissen; es mag wohl nichts darinnen sein, aber sie mildert die Stöße des Lebens bedeutend.“ In diesem Sinne verstand auch der Freiherr Knigge seinen berühmten Benimmratgeber nicht als unumstößliches Regelwerk formaler Etikette, sondern vielmehr als Richtschnur für einen angenehmen Umgang miteinander.
Doch egal, ob man gute Tischmanieren als strengen Grundsatz betrachtet oder nicht, sie kommen nach wie vor nicht aus der Mode – nicht zuletzt beim Essengehen. Deshalb findest du im Folgenden eine kleine Übersicht von 7 Tischmanieren und inwiefern sie heute noch zeitgemäß sind.
1. Besteck
Je nachdem, wie man Messer und Gabel auf dem leergegessenen Teller anordnet, übermittelt man dem Kellner beim Abräumen eine Botschaft.
20 nach 4
Wenn man sich den Teller wie eine Uhr vorstellt, ist die „20 nach 4“-Stellung wohl die bekannteste Botschaft an den Kellner. Messer und Gabel werden mit dem Griff nach außen rechts unten platziert, als würden sie als Minuten- und Stundenzeiger 4:20 Uhr anzeigen. Damit signalisiert man einfach nur: „Ich bin fertig.“
20 nach 8
Legt man Messer und Gabel zu solch einem Dreieck, gibt man dem Kellner zu verstehen, dass man nur eine kleine Essenspause eingelegt hat und der Teller noch nicht abgeräumt werden darf.
20 nach 8 über Kreuz
Es ist ein wenig umstritten, ob diese Regel offiziell gilt, aber sie findet immer öfter Verwendung, um seinen Missmut kundzutun. Wie bei der Stellung zuvor werden Messer und Gabel zu einem Dreieck gelegt, allerdings kreuzen sich Zinken und Klinge. Dies bedeutet: „Es hat nicht geschmeckt.“
5 nach halb 7
Die „5 nach halb 7“-Stellung ist im Grunde die spiegelverkehrte Variante der „20 nach 4“-Stellung. Hiermit signalisiert man nicht nur, dass man fertig ist, sondern auch, dass es sehr gut geschmeckt hat und dass der Kellner dem Chefkoch ein Kompliment ausrichten darf.
2. Sitzordnung
Die klassische Etikette sieht eine vom Gastgeber festgelegte Sitzordnung vor, die es zu befolgen gilt. So sollen abwechselnd Männer und Frauen, aber keine Ehepartner nebeneinander sitzen. Dabei ist der Herr links der Dame jeweils ihr Tischherr und rückt ihr beispielsweise den Stuhl zurecht. Platz genommen wird erst, wenn der Gastgeber darum bittet.
Sitzordnungen sind nach wie vor einzuhalten. Ehepartner wurden auseinandergesetzt, damit sie sich nicht nur wie gewohnt untereinander, sondern auch mit anderen Gästen unterhalten und neue Bekanntschaften schließen können. Mittlerweile dürfen Ehepartner selbstverständlich nebeneinander sitzen. Das Tischherren-Prinzip gilt als unmodern.
3. Serviette
Lange Zeit war es üblich, die Serviette auf den Schoß zu legen, sobald Getränke und Essen serviert werden. Inzwischen wird erwartet, dass die Serviette bereits auf dem Schoß liegt, wenn serviert wird.
Auch wird es heutzutage nicht mehr so streng gesehen, die Serviette als Lätzchen zu nutzen. Früher galt dies als Zeichen, dass man als erwachsener Mensch nicht anständig essen kann, ohne sich sein Hemd mit Tomatensoße zu besudeln.
Verlässt man kurz den Platz, sollte man die Serviette stets auf den Tisch und nicht auf den Stuhl legen. Ob links oder rechts vom Teller spielt im Gegensatz zu früher keine Rolle mehr.
4. Romantisches Date
Gerade hier lauern noch immer einige Stolperfallen, nicht zuletzt, weil die Erwartungshaltung beim ersten Date mitunter sehr hoch ist und bei Männern und Frauen zum Teil sehr unterschiedlich ausfällt. Dass der Mann der Frau die Tür aufhält, ihr den besseren Platz im Restaurant anbietet und die Rechnung übernimmt, mag nach wie vor gang und gäbe sein.
Aber mit Blick auf gleichgeschlechtliche Beziehungen und der Abkehr von einer traditionellen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau sind solche geschlechtsspezifischen Verhaltensregeln mittlerweile hinfällig. Im Wesentlichen sollte die Person, die eingeladen hat, den „Gentleman“ spielen, solange sich der Eingeladene damit nicht unwohl fühlt.
5. Während des Essens unterhalten
Gemeinsam zu essen, ist selbstverständlich eine soziale Aktivität. Nichts ist schlimmer, als sich während des Essens anzuschweigen. Aber als genauso selbstverständlich gilt, was Eltern schon früh in der Erziehung vermittel: „Mit vollem Mund spricht man nicht!“ Stattdessen also lieber kleinere Portionen mit der Gabel aufnehmen und kauen.
Auf der anderen Seite sollte man seinem Gegenüber keine Fragen stellen und die Person damit zu einer Antwort nötigen, wenn diese gerade selbst den Mund voll hat und kaut.
6. Das Glas erheben
Weingläser sollten in der Tat am Stiel gehalten werden, was den praktischen Grund hat, dass sich der Wein ansonsten durch die Hände erwärmen würde. Abhängig davon, in welchen Kreisen man verkehrt, sollte man natürlich auch den gleichen Trinkspruch erwidern, mit dem der Gastgeber das Glas erhebt.
Beim Sektempfang auf das gediegene „Zum Wohl“ des Chefs mit einem „Hau wech die Plörre!“ zu antworten, könnte je nach Firma einen ungünstigen Eindruck hinterlassen.
7. Handy auf dem Tisch
In den letzten Jahren hat sich eine Angewohnheit verbreitet, die Freiherr Knigge sicher nie für möglich gehalten hätte: trotz Begleitung das Mobiltelefon auf den Tisch zu legen und ständig einen Blick darauf zu werfen oder sogar Textnachrichten zu schreiben.
Egal, ob im feinen Restaurant oder draußen im Café: Wenn man sich schon persönlich trifft, anstatt über WhatsApp zu chatten, zeugt die Beschäftigung mit dem Smartphone von Respektlosigkeit, da man Desinteresse an seinem Gegenüber signalisiert.
Wenn man hingegen tatsächlich auf eine dringende Nachricht wartet, die man nicht verpassen darf, kann man dies natürlich mitteilen und um Verständnis bitten, dass man das Handy gerne im Blick behalten möchte.
Welche Tischmanieren letztlich angebracht sind, hängt immer von dem Anlass und den anwesenden Personen ab. Außerdem ändern sie sich mit der Zeit und sind heutzutage zum Glück nicht mehr so streng wie noch vor 100 oder 200 Jahren. Die Grundlagen für ein respektvolles Miteinander werden bereits in jungen Jahren in der Erziehung gelegt.
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Quelle: Wunderweib, Welt.de
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