Die Meinungen darüber, ab wann der Kindergarten bzw. die Kita für Kinder sinnvoll ist, gehen hierzulande weit auseinander. Das hat sicherlich damit zu tun, dass in den neuen Bundesländern der Krippen- und Kitabesuch ab oder gar schon vor dem 1. Lebensjahr jahrzehntelang die Norm war, während in den alten Bundesländern Kinder häufig erst spät fremdbetreut wurden.
Wie du gleich sehen kannst, gibt es stichhaltige Argumente für, aber auch gegen eine frühe Fremdbetreuung, die Eltern gut abwägen sollten. Und auch die Politik sollte die Pro- und Contra-Argumente ernst nehmen, etwa wenn es darum geht, wie gut Kitas personell ausgestattet werden oder wie viel Familienfreundlichkeit man Arbeitgebern abverlangt.
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Contra Kita
1. Kitakinder leiden unter Trennungs- und Verlustängsten.
Die Trennungssituation, die sich durch den Aufenthalt in der Kita ergibt, ist für Kinder belastend. Da Babys und kleine Kinder kein Zeitgefühl haben, fühlen sie sich vollkommen im Stich gelassen, wenn ihre Bezugsperson den Raum verlässt – egal, ob es nur für ein paar Minuten ist, wie bei der Eingewöhnung, oder für den halben Tag. Die Trennungsangst ist auch mit Verlustängsten verbunden, die laut Psychologen im schlimmsten Fall traumatische Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter haben können.
Um die Trennung so sanft wie möglich zu gestalten, gehen die meisten Kitas deshalb bei der Eingewöhnung sehr behutsam vor, sodass die kleinen Kinder zunächst die Gelegenheit bekommen, eine Bindung zu ihrem Bezugserzieher aufzubauen, damit sie sich von diesem trösten lassen können, wenn die Eltern gehen.
2. Kitakinder haben eine schlechtere Bindung zur Mutter.
Ein hartnäckiges Vorurteil gegen die frühe Fremdbetreuung lautet, dass durch sie das Verhältnis zu den primären Bezugspersonen (meist Mutter oder Vater) gestört wird. Durch die Trennung würden Kinder das Vertrauen in ihre Eltern verlieren, sodass eine vormals sichere Bindung bröckelt. Entwicklungspsychologen gehen jedoch davon aus, dass die Mutter-Kind-Bindung nicht automatisch leidet. Wichtig ist, wie die Eltern die verbliebene Zeit mit ihrem Kind verbringen und wie sie auf seine Bedürfnisse eingehen.
3. Eltern verpassen viel von der kindlichen Entwicklung.
In der Anfangszeit verbringen die meisten Eltern bzw. zumindest ein Elternteil wirklich jede Minute des Tages mit ihrem Baby und können jede noch so kleine Entwicklung miterleben. Durch die Kita fällt das weg – einfach dadurch, dass man viel Zeit getrennt voneinander verbringt und das Kind sich einen ganz neuen Lebensraum erschließt, zu dem die Eltern nur teilweise Zugang haben. Das lässt sich auch durch die Erzählungen am Abendbrottisch nicht komplett ausgleichen.
4. Die Betreuung in der Kita ist weniger intensiv als zu Hause.
Auch bei einem guten Betreuungsschlüssel kann sich eine Erzieherin natürlich weniger intensiv um die ihr anvertrauten Kinder kümmern, als das ein Vater oder eine Mutter im 1:1-Kontakt tun kann. Allerdings hängt die Qualität des Kontaktes natürlich auch davon ab, ob die Eltern nicht nur physisch, sondern auch geistig und emotional anwesend sind. Wenn sie ständig mit anderen Dingen, wie etwa ihrem Smartphone, beschäftigt sind, können sie sich auch nicht intensiv um ihr Kind kümmern.
5. Kita ist stressig für Kinder.
Der Kitaalltag ist für Kinder ähnlich anstrengend wie der Berufsalltag für Erwachsene. Gerade anfangs kostet es kleine Kinder viel Kraft, sich an die Gepflogenheiten und Abläufe in der Kita zu gewöhnen. Später sind es immer noch Faktoren wie der Lautstärkepegel und der permanente Kontakt sowie Konflikte mit anderen, die das Kitaleben anstrengend machen.
Pro Kita
6. Kinder brauchen andere Kinder.
Die meisten Kinder fühlen sich wohl, wenn sie mit anderen Kindern zusammen sind. Sie können sich auf einem gemeinsamen Level austauschen, miteinander spielen und voneinander lernen, anders als das im Umgang mit Erwachsenen der Fall ist, wo immer ein Machtgefälle besteht.
7. Kitakinder lernen soziales Verhalten.
Natürlich lernen Kinder auch zu Hause soziales Verhalten, aber in der Kita müssen sie sich mit mehr Menschen (Erwachsenen und Kindern) auseinandersetzen und erleben auch andere Gruppensituationen, als es in der Familie der Fall ist. Beispielsweise müssen und können Kinder in der Kita lernen, Kompromisse auszuhandeln.
8. Kitakinder bekommen vielfältigere Anregungen.
Selbst wenn die Eltern sehr engagiert sind, haben doch die wenigsten eine pädagogische Vorbildung und auch nicht jeder ist ein leidenschaftlicher Bastler oder Tierstimmenerklärer. In der Kita bekommen Kinder im Idealfall die unterschiedlichsten Anregungen, was Spiele, kreative Beschäftigung und Bewegung betrifft, und werden gezielt, das heißt ihrem Alter entsprechend, gefördert.
9. Kitakinder können neue Rollen ausprobieren.
In der Familie haben Kinder schnell ihre feste Rolle – je nachdem, ob sie Einzelkind, großer Bruder oder kleine Schwester sind. In der Kita bekommen sie die Möglichkeit, neue Verhaltensweisen auszuprobieren und neue Eigenschaften an sich zu entdecken, für die zu Hause kein Platz ist. Beispielsweise kann sich das Nesthäkchen in der Kita um kleinere Kinder kümmern und auch mal der „Anführer“ sein.
10. Mütter können wieder früher in den Beruf einsteigen.
Für viele Familien ist einfach die Notwendigkeit eines zweiten Einkommens oder der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit vom Partner ausschlaggebend für eine frühe Fremdbetreuung. Die Kita kann aber nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine emotionale Entlastung sein. Es gibt genug Mütter, denen nach einer Weile zu Hause die Decke auf den Kopf fällt. Wenn sie nicht mehr rund um die Uhr allein für das Kind zuständig sind und auf Arbeit wieder Kontakt zu Menschen außerhalb der eigenen Familie haben, können sie daraus neue Kraft schöpfen, um zu Hause wieder voll für das Kind da zu sein.
Wie du anhand der 10 Pro- und Contra-Argumente in Bezug auf eine frühe Kitabetreuung sehen kannst, gibt es kein absolutes Richtig oder Falsch, wenn es um Kinderbetreuung geht. Kinder leiden nicht automatisch darunter, wenn sie fremdbetreut werden. Sie können zeitgleich zu Eltern und zu Erziehern eine gute Bindung haben. Voraussetzung ist, dass die Erwachsenen einfühlsam sind und sich mit dem Kind auseinandersetzen. Dabei kommt es nicht auf die Quantität der miteinander verbrachten Zeit an, sondern auf die Qualität.
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