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Forschung an Mensch-Tier-Mischwesen für Organspende

Die fehlende Bereitschaft zur Organspende hat auch gewaltige Konsequenzen für die medizinische Forschung. Mensch-Tier-Mischwesen sind nach Ansicht japanischer Forscher die Lösung.

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Minotauren, Harpyien, Meerjungfrauen: Schon seit dem Altertum geistern Mischwesen – halb Mensch, halb Tier – durch die Fantasie der Menschen. Wohlgemerkt: durch die Fantasie! Jetzt wurden solche Mischwesen Wirklichkeit. 

Die japanische Regierung hat 2019 erstmals wissenschaftliche Experimente erlaubt, in denen mit menschlichen Zellen ausgestattete Tier-Embryonen heranwachsen sollen. Das Ziel: dringend benötigte Ersatzorgane für Menschen zu züchten.

Auch in den USA laufen entsprechende Versuche. Im April 2021 berichtete nun ein internationales Forscherteam im Fachmagazin Cell, dass sie bereits Embryonen aus Menschen- und Affenzellen erschaffen hätten – wenngleich diese nur wenige Wochen überlebten. 

Bei zahlreichen Forschungs-Ethikern schrillen bei diesem Meldungen die Alarmglocken. Gesundheitsminister Karl Lauterbach spricht 2019 von einem „ethischen Megaverstoß“:

„Mit der Züchtung von Mensch-Tier-Wesen wird eine Grenze überschritten, die wir als Menschen nicht überschreiten dürfen.“ 

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© Flickr/Christine Rondeau, Symbolbild (Kunstwerk von Patricia Piccinini)

Andere fordern hingegen eine sachliche Debatte, die einen differenzierten Blick zulässt. Was sind also die konkreten Argumente für solche Experimente, was sind die Befürchtungen?

Weshalb braucht man Ersatzorgane?

Allein in Deutschland warten derzeit etwa 9.000 Menschen auf eine Organtransplantation. Jeden Tag sterben drei von ihnen, weil kein passendes Spenderorgan gefunden wird. Und die Spendenbereitschaft ist (mit geringfügigen Ausnahmen) seit 20 Jahren im kontinuierlichen Sinkflug. Doch selbst wenn jeder einen Organspendeausweis hätte, bestehen Zweifel, ob das den Bedarf deckt. Die Mediziner machen sich daher Gedanken, wie man sonst noch an Organe kommen kann.

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Was ist an dem Experiment neu?

Das Maultier – Ergebnis einer Paarung zwischen Eselhengst und Pferdestute – kennt jeder. Liger (Löwe und Tiger) und Wolphine (Wal und Delphin) sind schon seltener, gibt es aber auch. In den 1920er Jahren gab es in der Sowjetunion sogar Versuche, Menschen mit Affen zu kreuzen – soweit man weiß, ohne Erfolg.

Mit solchen Kreuzungen haben die „Chimären“ – wie man die künstlich erzeugten Mischwesen nennt – aber wenig zu tun. Bei den derzeitigen Experimenten geht es darum, einen Organismus zu erschaffen, der aus unterschiedlichen Zellen aufgebaut ist: Eine Schwein-Mensch-Chimäre wäre folglich ein „normales“ Schwein, nur eben mit menschlichem Herz. Das Erbgut wird nicht gemischt.

Mit Tieren ist das Experiment bereits 1984 geglückt. Und 2013 haben Forscher menschliche Zellen im Gehirn von Mäusen eingepflanzt, die sich dann tatsächlich als intelligenter als ihre Artgenossen erwiesen. Das wirklich Neue – und Erschütternde – an den aktuellen Forschungsvorhaben ist allerdings, dass bereits Embryonen mit menschlichen Zellen herangezüchtet und von den Muttertieren ausgetragen werden sollen. Als Folge ist nicht nur der menschliche Anteil solcher Chimären höher, theoretisch wäre es möglich, dass sich die menschlichen Zellen auch in anderen Organen wiederfinden – einschließlich dem Gehirn. 

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Die Pro-Argumente

Verteidiger des Vorhabens beschwichtigen: Zunächst einmal sind Chimären etwas ganz Normales. Jeder Mensch, der mit einem Spenderorgan lebt, ist im Prinzip eine Chimäre. Auch tierisches Gewebe wird dabei schon eingesetzt. Denn bereits seit Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts gibt es Xenotransplantationen (Transplantationen tierischer Zellen, Gewebe oder Organe in Menschen). 

Auch der Vorwurf, Tiere würden hier als bloßes Ersatzteillager begriffen, verfängt bei den Befürwortern nicht. Wenn man ein Schwein nur dafür züchtet, um ihm ein Spenderorgan zu entnehmen, ist das moralisch gesehen nicht verwerflicher, als aus ihm Schnitzel zu machen – solange die Forscher sicherstellen, dass das Tier weder ein menschliches Bewusstsein noch menschliche Fähigkeiten besitzt.

Die Contra-Argumente

Kritiker des Vorhabens weisen hingegen darauf hin, dass es erst einmal darauf ankommt, wo die Moral beginnt: Denn für die Chimären braucht man bislang noch embryonale Stammzellen – und die bekommt man nur durch die Tötung menschlicher Embryonen. 

Doch so strittig dieses Thema ist, noch entscheidender ist die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Forscher überhaupt ausschließen können, dass durch das Verfahren Tiere mit menschlichen Eigenschaften entstehen. Bislang lässt sich nämlich noch nicht steuern, wo sich die menschlichen Zellen ansiedeln. 

Darüber hinaus bieten sich vor allem Tiere an, die dem Menschen besonders ähneln, und hier ist die Gefahr einer echten Mischwesen-Entstehung besonders hoch, wie Rüdiger Behr vom Deutschen Primatenzentrum erklärt. Es wäre daher zu überlegen, ob man nicht eher in alternative Verfahren investieren sollte, die weniger riskant sind.

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© Flickr/Hans Olofsson, Symbolbild (Kunstwerk von Patricia Piccinini)

Steckt in der Forschung ein enormes Potenzial, das tausenden Menschen ein Leben ohne Angst und Qualen ermöglicht? Oder sollte es moralische Grenzen geben, die auch im Interesse des medizinischen Fortschritts nicht überschritten werden dürfen?

Wie man zu dem japanischen Forschungsvorhaben auch stehen mag – das Chimären-Experiment wirft die uralte Frage nach dem Unterschied zwischen Tier und Mensch ganz neu auf. Denn was würde ein Schwein mit menschlichen Organen oder ein Affe mit menschlichem Gehirn für unseren Begriff von „Tier“ bedeuten? Welche Rechte hätten solche Wesen? Wenn dich das Thema interessiert, dann lies auch unseren Artikel zu 8 Mythen über Tierversuche.

Quellen: merkursueddeutsche, tagesspiegelzellux, drze
Vorschaubild: © Flickr/Christine Rondeau (Kunstwerk von Patricia Piccinini)